Wie ein Swing alles veränderte
Rückblicke

Wie ein Swing alles veränderte

Rückblick: November 2004

Eigent­lich wollte ich nur mein Eng­lisch etwas auf­fri­schen, um fürs Busi­ness siche­rer zu wer­den. Ich buchte Anfang 2004 einen Sprach­kurs in Ber­lin und beschloss, mich damit zu beloh­nen, im Herbst eine Sprach­reise zu machen. Irgend­wo­hin wo es warm ist und eng­lisch gespro­chen wird.

Meine Wahl fiel auf Süd­afrika. Dort spre­chen sie zwar nicht fei­nes Oxford Eng­lisch (son­dern ziem­li­ches Pigeon-Eng­lisch!). Aber mir ging es nicht um die Aus­spra­che son­dern um die Reise und das flüs­sige Spre­chen und Schrei­ben. Das wollte ich ver­bes­sern.

So reiste ich also im Novem­ber 2004 nach Cape­town. Das was ich hier dazu auf­schreibe, schreibe ich kom­plett aus mei­ner Erin­ne­rung. Eini­ges ist ver­wa­schen und nur noch in sehr unvoll­stän­dig in mei­nem Kopf. Aber das Fol­gende ist bis heute sehr prä­sent.

Wel­come to the Cape

Die Ein­reise war lang­wie­rig, aber klappte schließ­lich ohne Pro­bleme. Wir waren eine kleine Gruppe von Stu­den­ten (also Sprach­schü­lern), die gemein­sam von der Sprach­schule am Flug­ha­fen abge­holt wur­den.

Neu­gie­rig sog ich die fremde Umge­bung in mir auf. Mein ers­ter Auf­ent­halt in Afrika: wie auf­re­gend! Die Fahrt vom Flug­ha­fen zu unse­rer Resi­denz brannte sich mir aller­dings bru­tal ins Gedächt­nis ein.

Was ich sah, ver­schlug mir die Spra­che. Es war ein meh­re­rer Kilo­me­ter lan­ger High­way. Auf der einen Seite rie­sige, gepflegte Grün­fä­chen mit Hügeln und klei­nen Seen, ein Golf­platz der Extra­klasse. Auf der ande­ren Seite ein Meer aus Blech­dä­chern und Müll, so weit das Auge reicht.

😱 Kras­ser kann sich der Gegen­satz von Arm und Reich nicht prä­sen­tie­ren.

Aus die­ser gemein­sa­men Fahrt vom Flug­ha­fen ent­stand eine kleine Alli­anz aus Gleich­ge­sinn­ten und wir ver­brach­ten die fol­gen­den Wochen gemein­sam. In der Schule, an den Nach­mit­tagen und Aben­den und auch bei den Aus­flü­gen am Wochen­ende.

Das Erbe der Apart­heid

Durch die­sen ers­ten Ein­druck geprägt erlebte ich den gesam­ten Auf­ent­halt in Süd­afrika sehr zwie­ge­spal­ten. Einer­seits diese wun­der­schöne Gegend mit dem Tafel­berg, dem rau­hen Meer, den Wein­ge­gen­den und die­sem schön und geschmack­voll anmu­ten­den Luxus und Wohl­stand. Und ande­rer­seits diese bit­tere und ver­zwei­felte Armut, in der sich weite Grup­pen der Bevöl­ke­rung aus­wegs­los und unver­schul­det befan­den.

Dem­ent­spre­chend hoch war die Kri­mi­na­li­tät auf den Stra­ßen. Selbst unsere Stu­den­ten-Unter­kunft hatte einen hohen Sta­chel­draht­zaun und rund um die Uhr bewaff­ne­ten Wach­schutz. 

Slums

Natür­lich ist so eine Slum­füh­rung insze­niert und zeigt nicht das wirk­li­che Leben in den Ghet­tos. Trotz­dem war es uns wich­tig, sie zu machen und ein­mal dort zu sein. Ich konnte und wollte diese Seite nicht ein­fach aus­blen­den. Und außer­dem ver­mit­telte die Sprach­schule nur Gui­des, die selbst im Slum leb­ten. So kam also wenigs­tens ein biss­chen von unse­rem Geld dort an, wo es gebraucht wurde.

Wir lern­ten viel über die Orga­ni­sa­tion inner­halb der Slums und die Umstände, unter denen die Fami­lien dort leb­ten. Und auch wie schwer oder quasi unmög­lich es ist, aus die­sem Leben aus­zu­bre­chen und her­aus­zu­kom­men. 

Was mir ein­drucks­voll in Erin­ne­rung blieb, war die fröh­li­che Stim­mung und die lachen­den Kin­der, die mit zeris­se­nen Shirts und kaput­ten Schu­hen oder bar­fuß Fuß­ball spiel­ten oder tanz­ten. Über­haupt war über­alll Musik und Leben.

Ich habe gro­ßen Respekt vor die­ser Lebens­ein­stel­lung und der Kraft der Men­schen, die in die­ser aus­weg­lo­sen Situa­tion ihren Lebens­mut nicht ver­lie­ren. Und kämp­fen um zu über­le­ben.

Museum Dis­trict Six

Auch die­ser Teil gehörte für uns zum Kul­tur­pro­gramm. Und so ver­brach­ten wir einen gan­zen Nach­mit­tag in die­sem his­to­ri­schen Vier­tel, besich­tig­ten das Museum, Denk­mä­ler und his­to­ri­sche Orte.

Ich wollte die­ses Land ver­ste­hen. Begrei­fen wie sich die­ses Unrecht ent­wi­ckelt, ver­brei­tet und immer noch erhal­ten hatte. Zu wenig wusste ich bis dahin über die poli­ti­schen und gesell­schaft­li­chen Zusam­men­hänge, die die­ses wun­der­schöne und einst so hoff­nungs­volle Land am süd­lichs­ten Zip­fel Afri­kas prä­gen. Meine Kennt­nisse aus dem Geschichts- und Poli­tik­un­ter­richt dazu hiel­ten sich in sehr engen Gren­zen.

Ich kann und will an die­ser Stelle nicht die Gescheh­nisse rund um den Dis­trict Six wider­ge­ben. Zu kom­plex und erschüt­ternd ist die­ses Kapi­tel der Geschichte. Wer sich zu die­sen The­men ein eige­nes Bild machen oder schlicht mehr erfah­ren möchte, der fin­det hier wei­tere Infor­ma­ti­o­nen:

https://www.dis­trict­six.co.za/


Und dann sprang ich von der Brü­cke

Ok. Kurz die Vor­ge­schichte: Wir mach­ten von Frei­tag bis Sonn­tag einen von der Schule orga­ni­sier­ten "Adven­ture-Aus­flug" und fuh­ren ins Hin­ter­land. Erst zu irgend­ei­ner Lodge für eine kleine Safari, dann wei­ter zum Hiking und Cam­ping irgendwo in die Berge. Die Safari war wie erwar­tet sehr über­schau­bar. Um wirk­lich große (und wilde) Tiere zu sehen, müsste man von Kap­stadt aus sehr weit fah­ren. Aber das wuss­ten wir vor­her. Mir kam es eher wie ein gro­ßes Gehege in einem Frei­land-Zoo vor. Und so  etwas war es wohl auch.

Als es dann am Sams­tag wei­ter in die Berge ging, mach­ten wir einen angeb­lich "spon­ta­nen" (ich weiß es nicht...) Stopp an einer - nen­nen wir es - "Event-Loca­tion": zwei alte Eisen­bahn­brü­cken, die im Abstand von ca. 100 Metern über einen Can­yon führ­ten. Jede Menge laute Musik und Leute.

Das Ange­bot: Bun­jee oder Swing aus 95 Meter Höhe 💥

Der Unter­schied: Beim Bun­jee wird einem ein elas­ti­sches Gum­mi­seil an den Füßen befes­tigt und man fällt senk­recht, beim Swing ist es ein fes­tes Tau, das auf der gegen­über­lie­gen­den Brü­cke befes­tigt ist und man wird aus dem freien Fall wie in eine Schau­kel gezo­gen. An der man dann gefühlt 50 Mal über dem Abgrund schwingt.

Ich habe nicht wirk­lich lange über­legt und das Ange­bot für 20 Dol­lar ange­nom­men. Ob das im Nach­hin­ein so rich­tig klug war und dort ver­trau­ens­wür­dige Sicher­heits-Stan­dards ein­ge­hal­ten wur­den, kann ich nicht sagen. Aber wie Ihr wisst:

Ich habe über­lebt 😁 ..und den gewal­tigs­ten Adre­na­lin-Kick mei­nes Lebens bekom­men! 

Und es ist nicht etwa so, dass ich keine Höhen­angst habe. Nein, ganz im Gegen­teil. Als ich vor mei­ner Ent­schei­dung über diese Brü­cke lief und einen Blick wagte (der Unter­grund war sehr durch­sich­tig) wurde mir übel, schwin­de­lig und ich spürte so Herzaus­set­zer. Wow. Ich war über­rascht, was diese Situa­tion mit mir machte. Im Grunde ist das ja alles nur Che­mie in unse­rem Kör­per.

"Nach mei­nem Ver­ständ­nis ist Mut nicht das Abhan­den­sein von Angst, son­dern nur eine andere Art mit die­ser Angst umzu­ge­hen."

Also ent­schied ich mich für den Swing, weil ich dachte: Da hast du län­ger was davon! Ha... ich ahnte nicht, dass ich sowieso ohn­mäch­tig und mir von die­sem ewi­gen "Swin­gen" dann ein­fach nur schlecht wurde. 🤪


Die nächs­ten 24 Stun­den erlebte ich dann wie im Rausch. Das war ein unglaub­li­ches Gefühl. Eine Mischung aus Eupho­rie, Taten­drang und Glück­s­e­lig­keit. Auch wie­der nur Che­mie. Und ich mochte das, sehr sogar!

Für mich war das eine Erfah­rung, die mein Leben ver­än­derte: sich zu etwas über­win­den und den Moment aus­kos­ten.

"Das Leben fin­det außer­halb der Kom­fort­zone statt."

Diese Erkennt­nis hat sich seit­dem in ver­schie­dens­ten For­men immer wie­der für mich bestä­tigt und treibt mich an.

Und ganz klar: Man muss sich nicht gleich von Brü­cken stür­zen, um was zu erle­ben. 😉

Und da hab ich es schon wie­der getan! 😁

Die­ser Sprung ist in Ecu­a­dor 8 Jahre spä­ter und war nur etwa 30 Meter hoch. Aber die Gele­gen­heit wollte ich mir natür­lich nicht ent­ge­hen las­sen 😉

Mehr zu mei­ner Ecu­a­dor-Reise könnt Ihr hier lesen: 5.000 Meter über Null


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